Ausstellungseröffnung am 06.04.2023: Agata Stoltmann

„Wie zeigen wir uns als Individuum, rausgenommen aus der Umgebung? Wie wirken die Objekte?
Mit der Gegenüberstellung der Porträts von Menschen und den komponierten Bildern von Gegenständen zeige ich das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem.“ Agata Stoltmann

Zwischenwelten ist eine Serie von 10 Fotografien,
die Ausstellung präsentiert 5 Menschenbilder und 5 Fotos von Stillleben.
Den formstrengen Portraits sind handgeschriebene Mikrotexte in ästhetischem Kontrast und inhaltlicher Vertiefung beigefügt.

Do., 06.04.2023, 19.00 Uhr
Vernissage
Agata Stoltmann
Zwischenwelten Photographie
Eintritt frei während der Ladenöffnungszeiten
bis 20. Mai 2023
 

ZWISCHENWELTEN von Frank Maier-Solgk

Agata Stoltmann, Fotografien

I

„Zwischenwelten“ lautet der Titel der neuen Ausstellung der polnischen Fotografin Agata Stoltmann. Der Titel ist offenkundig mehrdeutig. Zwischenwelt kann einen mittleren Bereich meinen, der zwischen zwei anderen liegt; im Fall dieser Ausstellung wäre damit auf einen Bereich zwischen den beiden klassischen fotografischen Genres Porträt und Stillleben hingewiesen. Wie aber wäre eine solche fotografische Zwischenwelt beschaffen? Wie sähe eine solche Welt aus, die uns – auch dies vermittelt der Begriff – ein wenig im Unklaren darüber lassen möchte, ob sie menschliches Porträt oder Objektwelt sei.

Näher kommen wir dem Verständnis dieses Zwischen und damit auch der Ausstellung von Agata Stoltmann, wenn wir unter dem Zwischen einen Dialog verstehen. Agata Stoltmanns „Zwischenwelten“ meint ein Gespräch zwischen den Porträts von fünf Personen einerseits und fünf Ansichten von Alltagssituationen andererseits: zum Beispiel einem Tisch mit leergegessenem Teller vor einem Fenster, auf dessen Brett ein Apfel liegt, eine Küchenszene mit Teekanne auf einem Gasherd, daneben eine Anrichte mit Küchenbesteck und einem Zweig, der sich an der Wand emporrankt, eine intime räumliche Situation vor einem Fenster, die durch die Sonne und Schattenwurf auf der weißen Wand, ein dramatisches Moment erfährt.

Die Porträts zeigen Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, Menschen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie ehemalige Flüchtlinge sind, die Agata in Berliner Werkstätten kennenlernte. Die Herkunftsländer dieser fünf sind Iran und Afghanistan, der Sudan, die Elfenbeinküste und der Libanon. Aber es geht hier weniger um politische Aussagen zu aktuellen Konflikten und ihren oft tragischen Konsequenzen. Es geht um die Menschen selbst, die hier mit einem offenen und von Vertrauen geprägtem Blick der Kamera entgegenblicken. Was im Fall populistischer Porträtfotografie oft nur behauptet wird, nämlich diese entscheidende, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Atmosphäre, auf den Porträts von Agata Stoltmann wird sie tatsächlich spürbar; und nur aufgrund dieser von der Fotografin in einem längeren Prozess hergestellten Atmosphäre wird denn auch die Schönheit dieser Menschen offenbar.

Wie aber können Fotografien von Menschen und von Alltagssituationen, die Agata Stoltmann übrigens kaum verändert, sondern vorfindet oder entdeckt, miteinander in einen Dialog treten? Nur über einen Dritten natürlich, dem von Empfindungen begleiteten Wahrnehmungsapparat des Betrachters. Er oder sie kann anhand der Fotos überprüfen, was ihm/ihr die Dinge des Alltags und der Menschen um ihn herum bedeuten können bzw. unter welchen Bedingungen sie für ihn Bedeutung erlangen. Offenkundig ist hierfür Aufmerksamkeit ebenso erforderlich wie ein behutsames Sein-Lassen, das auf nutzbares praktisches Interesse verzichtet, sondern die Dinge und Menschen für sich sprechen lässt. „Er strich sich mit dem Finger über die Augen, aber sein Blick behielt etwas von der Weichheit einer einsinkenden Berührung der Dinge“, heißt es in dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil. Angesprochen ist etwas, um was es den Fotografien von Stoltmann auch bei diesem Dialog der Welten zu gehen scheint: die Betonung einer ästhetischen Wahrnehmung, der sich das Wesen der Dinge und Menschen sanft entschleiert.

II

Die insgesamt 10 Fotografien der Ausstellung im Galerie-Café der Buchhandlung BiBaBuZe stellen eine Auswahl von insgesamt 44 Aufnahmen dar, die Agata Stoltmann im vergangenen Jahr in Berlin, einem Lebensmittelpunkt der letzten Jahre, machte. Durchgängig in Schwarz-Weiß, im Mittelformat 20 x 20 cm (gerahmt 42x30cm), bleibt das gewollt Kompositorische im Hintergrund: Bei den Porträts, die en face und mit halbem Oberkörper, im sogenannten Büstenformat, aufgenommen sind, wurde ein einheitlicher, dunkelgrauer Hintergrund gewählt, vor dem die Porträts an Intensität gewinnen. Auffallendstes ästhetischen Merkmal der Stillleben ist gelegentlich eine an die expressionistische Fotografie anknüpfende Lichtdramaturgie, doch wird alles Effekthascherische vermieden zugunsten einer klassischen, den Objekten und Personen vertrauenden Haltung, die ein ebenso hohes Maß an Dezenz wie an Humanität der Fotografin verrät.

III

Agata Stoltmann wurde 1981 in Świecie, Polen, geboren.

Ausbildung: Studium der Biotechnologie in Poznań (Polen)

Studium der Fotografie an der Ostkreuzschule, Berlin.

Tätigkeit: Seit 2016 Tätigkeit als freie Fotografin (Reisefotografie u.a. in Mexiko und Indien)

Ausstellungen: Seit 2018 Einzel- und Gruppenausstellungen in Warschau (Terminal Kultury Gocław) und Düsseldorf (Park Kultur Galerie/Schloss Benrath/Onomato Galerie)

Agata Stoltmann lebt und arbeitet in Düsseldorf, Berlin und Polen.